Lisa Hirmer

Rezension zu „Q – In dieser Welt ist Perfektion alles“ von Christina Dalcher

In der nahen Zukunft besitzt jeder Mensch einen Q-Wert, der Intelligenz und Einkommen misst, und damit jedem seinen Platz in der Gesellschaft zuweist. Eine verführerisch einfache Antwort auf eine zunehmend heterogene Welt. Das glaubt auch Elena Fairchild, die an einer Eliteschule lehrt und regelmäßig das Potential ihrer Schüler testet. Je höher der Q-Wert, desto größer der Zugang zu Bildung und desto goldener die Zukunft. Wohin jeden Morgen die Busse die Kinder bringen, deren Q-Wert zu niedrig ist, weiß niemand so genau. Nur, dass sie nicht wiederkehren.
Als Elenas 9-jährige Tochter durch einen Test fällt – und damit ihr Q-Wert auf ein erschreckend niedriges Niveau, lernt die Mutter die Kehrseite der schönen neuen Welt kennen. Was, wenn die Auslese der Besten nur der Anfang eines schrecklichen Plans ist? Was, wenn man ihr das eigene Kind nehmen will?

Fassungslos, geschockt, verängstigt – Nur ein paar Worte um zu beschreiben wie aufgewühlt mich das Buch zurücklässt.

Der Autorin gelingt es, das Buch mit unterschwelliger Negativität zu beginnen. Die unangenehmen Seiten des Systems rücken ganz langsam näher an Elena und ihre Familie. Auch die Spannungen zwischen Elena und ihrem Mann Malcolm werden erst mit fortschreiten der Geschichte immer klarer.
Kurz gesagt: Der Spannungsbogen ist auf jeden Fall sehr gut gelungen!

In die einzelnen Figuren konnte ich mich nur teilweise hineinfühlen. Elenas Muttergefühle waren für mich das einzige, das mich emotional abholen konnte. Ansonsten blieben mir die Figuren (außer Elenas Großmutter) alle als unsympathisch im Gedächtnis. Doch müssen Figuren in solchen Büchern unbedingt sympathisch sein? Ich glaube nicht. Elena lernt im Verlauf der Geschichte extrem viel über sich und bereut viele Dinge, die sie in ihrem Leben getan hat. Diese Reflektion, die im Sinne von Rückblenden in die Jugend der Figuren umgesetzt wurde, war für mich das Tüpfelchen auf dem i. Elena erkennt immer mehr, wie viel Schuld sie selbst auf sich geladen hat.
Elenas Großmutter ist die einzige, die die Wahrheit ausspricht: Das System erinnert an die Machenschaften im Dritten Reich. Doch wie stürzt man ein System, das die Menschen gnadenlos überwacht und zu den perfekten Marionetten macht?

Das Buch übt sich sehr in Gesellschaftskritik. Sowohl die Themen Diskriminierung und Apartheid, als auch der Druck eines Schulsystems, das nur auf Leistung ausgelegt ist, geben wichtige Denk-Impulse an die Leser.

Ich würde das Buch neben „Die Welle“ von Morton Rhue einreihen. Es zeigt auf beschämende und erschreckend aktuelle Weise auf, dass das „Nie wieder“ leider doch ganz schnell wieder passieren kann.

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