Lisa Hirmer

Rezension zu „SCHWEIG!“ von Judith Merchant

Am Tag vor Heiligabend fährt Esther in den Wald zum Haus ihrer Schwester, um ihr ein Geschenk und eine Flasche Wein zu bringen. Ein Schneesturm setzt ein. Das Geschenk wird nicht geöffnet. Der Wein schon. Dinge werden gesagt, die besser ungesagt blieben. Und Taten werden begangen, die nie mehr rückgängig gemacht werden können.
Eigentlich muss Esther ihr Weihnachtsfest mit Ehemann und Kindern in der Stadt vorbereiten: einkaufen, Tanne besorgen – es wäre genug zu tun. Doch ihre Schwester Sue, die seit ihrer Scheidung völlig allein in einem riesigen Haus tief im Wald lebt, geht ihr nicht aus dem Kopf. Und so setzt sie sich ins Auto und fährt los. Aber nur um nachzusehen, ob alles in Ordnung ist und ob Sue zumindest ihre Tabletten nimmt. In die Stadt einladen kann sie sie nicht. Denn was, wenn sie wieder durchdreht – wie letztes Jahr? Am Haus im Wald angekommen, stellt Esther fest, dass Sue sie loswerden will. Was hat sie zu verbergen? Ein Schneesturm setzt ein. Zum ersten Mal seit ihrer Kindheit kommen die Schwestern ins Gespräch, und kein Stein bleibt auf dem anderen – bis eine der beiden zum Messer greift. Während der Schnee alles verdeckt und jedes Geräusch erstickt …

Der Titel ist perfekt gewählt. Sue, die einfach nur möchte, dass Esther sie in Ruhe lässt und ihr oft genug sagt, dass sie schweigen soll. Aber auch der Schluss, bei dem das Schweigen die Grundlage für alles nachfolgende bildet. Treffender kann man einen Titel nicht wählen.

Die Sichtwechsel zwischen Sue und Esther sind großartig gelungen. Meist erfährt man die Geschichte sowohl aus der Sicht der einen Schwester, aber auch aus dem Blickwinkel der anderen Schwester. Da die Wahrnehmungen so unterschiedlich sind, weiß man bald nicht mehr wem man glauben soll. Esther, der aufopferungsvollen Mutter oder Sue, der psychisch labilen einsamen Frau? Immer wenn ich dachte ich wüsste wer von beiden Recht hat, wurde die Sicht gewechselt und ich war doch wieder skeptisch. Einer von beiden muss man auf den Leim gehen, aber wer dreht sich die Wirklichkeit so, wie sie sie braucht?
Als dann auch noch Martins Sicht dazu kommt, erschließen sich die verschobenen Wahrnehmungen. Doch auch dabei muss man sich selbst stets kritisch hinterfragen. Ein wahnsinnig gut gelungenes psychologischer Wirrspiel.

Es gibt wenige Handlungsorte, da müssen die Dialoge und Gedanken auf den Punkt sein um Spannung zu hinterlassen. Das ist der Autorin sehr gut gelungen.
Generell muss man die gesamte Geschichte über skeptisch bleiben und jeden doppelten Boden, jede mögliche Interpretation in Betracht ziehen.

Ich konnte das Buch kaum aus der Hand legen, von mir gibt es eine eindeutige Leseempfehlung!

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